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Vom Bielersee auf den Englischen Kanal - Teil 1 meiner Atlantiküberquerung

Göhlich Carola 03.07.2019

  

Es ist jetzt fast 1 ½ Jahre her, dass ich eines Samstagmorgens mit dem Zug zur Bootsmesse nach Genf fuhr, um mich dort bei einem Interview für das Clipper Race around the World vorzustellen. Ein paar Stunden später sass ich im Zug nach Hause. Neben einem Rückenwärmekissen, das ich als Kontrast auf der Haushaltsmesse nebenan erstand, hatte ich die Zusage zu meiner Atlantiküberquerung im Gepäck. Ich war von Euphorie und Abenteuerlust gepackt. Einmal über den grossen Teich, von England nach Südamerika.  

Seitdem hat sich einiges getan und inzwischen steht der Beginn der Regatta, bei der 11 Boote mit Amateurseglern in einem Rennen um die Welt gegeneinander antreten, kurz bevor. An dieser Stelle möchte ich gern die Erlebnisse meiner Reise teilen.

(Eines von 11 Booten aus der Clipper Flotte und mein vorübergehendes Zuhause; Bild von Sergei Fedorov)

Doch zunächst noch ein paar kurze Worte zu meiner Person. Ich komme ursprünglich aus Norddeutschland und neben einem kleinen See in meiner Heimatstadt Hannover ist die Ostsee mit dem Hafen Schilksee in Kiel mein Heimatrevier. Hier ist meine Begeisterung für das Segeln entstanden. Beruflich hat es mich jedoch vor fünf Jahren in den Süden gezogen und inzwischen fühle ich mich auf dem Bielersee zu Hause.

Und nun sollte es zum Training für ein paar Wochen in den Solent und auf den Englischen Kanal gehen. Das Clipper Race around the World ist von Sir Robin Knox-Johnston ins Leben gerufen worden, um Amateurseglern die Möglichkeit zu bieten, um die Welt zu segeln. Mit der Edition 2019-2020 geht das Rennen in die 11. Runde. In insgesamt 8 Etappen führt das Rennen einmal um die Welt, wobei man an einzelnen Etappen oder an der ganzen Weltumsegelung teilnehmen kann.

Schon länger träumte ich von einer grossen Segelreise. Tage- oder wochenlang auf See sein, ohne Land in Sicht, einmal über den Äquator... Nun sollte aus dem Traum also Wirklichkeit werden. Doch zunächst standen mir noch einige ganz andere Herausforderungen bevor.

(Der Blick auf Portsmouth vom Hafen Gosport aus)

In meiner ersten von insgesamt vier Trainingswochen wurde schnell klar, dass ich alles vergessen muss, was ich bisher auf dem Bielersee und auf kleineren Booten gelernt hatte. Die Yachten sind 75 Fuss lang und nirgends kann man mal eben mit der Hand irgendwo dazwischen greifen. Die Abläufe der Manöver sind deutlich aufwändiger, die ganze Crew muss koordiniert werden und alles läuft auf Englisch ab. Segeln wir auf Steuerbordbug, so ist es im Englischen genau umgekehrt eine Port Tack. Immerhin, Luv und Lee sind überall gleich.

(Eine Winsch an Bord ist doch etwas grösser, als ich es bisher gewöhnt war.)

Aber nicht nur an Deck gab es einiges zu entdecken, auch unter Deck verbargen sich ein paar Herausforderungen. Die Boote sind auf Geschwindigkeit ausgelegt und es gibt keinen Raum für «überflüssigen» Luxus. 18-22 Mann (und Frau) auf engstem Raum, die Toiletten (2 an der Zahl) haben immerhin einen Vorhang. Klobrillen gibt es jedoch nicht, die gehen auf See zu schnell kaputt.

Über das Leben an Bord, wie es wirklich ist, sich eine Koje zu teilen und alle vier bis sechs Stunden aus dem Ölzeug raus und in den Schlafsack rein zu kriechen, wird es dann nochmal einen eigenen Beitrag geben. Während des ersten Trainings blieben wir am Abend im Hafen und segelten tagsüber. Wir lernten alle Manöver und Abläufe (Evolutions), schleppten Segel an Deck und wer noch nicht ganz ausgelastet war, kam beim «sweaten» am Mast oder am «coffee grinder» sicher an das Ende seiner Kräfte. Beim «sweaten» unterstützen zwei Personen am Mast denjenigen, der das Fall, etwa zum Setzen des Grosssegels, herauf zieht, indem sie es im gleichen Takt nach unten ziehen. Der Name spricht für sich. Hinterher ist man gut durchgeschwitzt...

(Vier Leute beim "sweaten")

Insgesamt gibt es so viel zu berichten, dass ich gar nicht weiss, wo ich anfangen soll. Aber schon nach dem Schreiben des Textes spüre ich langsam die Müdigkeit, die mir nach der ersten Woche Training ganz schön in den Knochen sass. Die vielen Eindrücke und Vokabeln mussten sich erst einmal in Ruhe setzen. Aber um die neuen Bekanntschaften, aus denen zum Teil sehr schnell enge Freundschaften wurden, zu feiern, ging es zum Abschluss der Woche natürlich noch Essen und in einen Pub. Ohne ein Pint am Ende ist ein Segeltraining in England einfach nicht vollständig. Wie sich die Gebräuche auf einem Schiff unter britischer Flagge schnell ändern, erzähle ich im nächsten Beitrag und dort wird auch das Geheimnis gelüftet, wie die Queen ihren Tee trinkt...

Cheers!

Caro

Wer noch ein bisschen mehr über mich und meine Reise erfahren möchte, kann gern auf meinem Blog vorbei schauen: 

www.gonesailing.de/blog